Expertenrat von Dipl.-Päd. Uta Reimann-Höhn, Lern- und Erziehungsexpertin

 

Lernschwach oder Lernschwierig

So bezeichnet man im Allgemeinen Schüler, die die in einer Klasse definierten Lernziele nicht erreicht haben. Eine Lernschwäche bei Kindern sollte möglichst früh erkannt und dann gezielt behandelt werden, damit die Gesamt-persönlichkeit eines Kindes nicht unter einer Lernschwäche leidet.

 

Eine Lernschwäche bei Kindern kann:

sich nur über einen begrenzten Zeitraum erstrecken, lang andauernd sein, einen chronischen Charakter haben, von leicht bis schwer ausgeprägt sein, sich auf nur einen Leistungsbereich auswirken, das gesamte Leistungsspektrum beeinflussen.

 

Welche Lernschwächen gibt es überhaupt?

Diese Frage über eine Lernschwäche ist gar nicht so einfach zu klären, und die Antwort fällt unterschiedlich aus, je nachdem, ob Sie einen Mediziner, einen Psychologen oder einen Pädagogen über eine Lernschwäche bei Kindern fragen. Ich konzentriere mich auf die häufigsten Lernschwächen, die bei Kindern in der Regelschule zu finden sind. Ich zeige Ihnen die verschiedenen Symptome bei einer Lernschwäche auf, gebe eine Reihe von sinnvollen Fördertipps für eine Lernschwäche bei Kindern zu Hause, stelle die ministeriellen Vorgaben der Bundesländer sowie Adressen von qualifizierten Anlaufstellen bei Lernschwäche vor.

 

Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie)

Seit über 100 Jahren fallen Schüler mit einer besonderen Lernschwäche beim Lesen und/oder Rechtschreiben in der Schule auf. Trotz durchschnittlicher bis guter Intelligenz haben sie mit dieser Lernschwäche massive Probleme mit dem Lesen und/oder der Schriftsprache.

Die Lernschwäche wirkt sich im Laufe der Schulzeit auf nahezu alle Fächer aus, denn ohne das Lesen und das zügige Erfassen von Texten und Inhalten ist Schulerfolg kaum möglich. Andere lernen mühelos lesen, haben aber bei dieser Lernschwäche im Verschriften von Wörtern und Texten unendliche Schwierigkeiten.

 

Daran erkennen Sie ein lese- und rechtschreibschwaches Kind:

  • langsames, stockendes Lesen auch noch in der 3. Klasse
  • Probleme beim sinnerfassenden Lesen
  • Vielzahl von Fehlern bei der Rechtschreibung trotz stetigen Übens
  • Verweigerungshaltung zum Lesen und/oder Schreiben

 

Rechenschwäche (Dyskalkulie)

Auf Kriegsfuß mit der Welt der Zahlen stehen Kinder mit einer anderen Lernschwäche: Der Rechenschwäche. Ihnen erschließt sich das System der Mathematik, nämlich dass Zahlen für Mengen stehen, mit dieser Lernschwäche bei Kindern nicht. Sie machen bei den Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Division und Multiplikation im Vergleich zu Gleichaltrigen übermäßig viele Fehler wegen ihrer Lernschwäche, obwohl auch sie über gute Intelligenzleistungen verfügen und in anderen Schulfächern mit dem Leistungsanspruch keine Probleme, auch mit der Lernschwäche, haben. Da in der Mathematik jeder Lernstoff mit den Grundrechenarten verknüpft ist, haben Kinder mit dieser Lernschwäche ohne besondere Förderung und Nachteilsausgleich keine Chance auf gute Noten.

 

Lernschwäche: Daran erkennen Sie ein rechenschwaches Kind:

  • Es verzählt sich oft um eine Zahl
  • Es zählt statt zu rechnen
  • Es macht Fehler in allen Grundrechenarten
  • Es hat Schwierigkeiten beim Zehner- und Hundertersprung
  • Es hat oft eine schlechte Raum-Lage-Wahrnehmung (rechts, links, oben, unten)
  • Aufmerksamkeitsschwäche, Konzentrations- und Ausdauerprobleme

Die zunehmende Reizüberflutung und das Tempo der Medien machen es vielen Kindern schwer, sich in der Schule längere Zeit auf die Lehrkraft zu konzentrieren. Das ist schon fast normal und wird im Unterricht oft berücksichtigt. Darüber hinaus gibt es jedoch Kinder, die ihre Aufmerksamkeit überhaupt nicht im Griff haben und impulsiv auf jede Ablenkung reagieren. Sie können sich nicht auf längere Inhalte konzentrieren und schalten total ab, verhalten sich extrem unruhig oder wenden sich anderen Reizen zu.

 

Lernschwäche: Daran erkennen Sie ein aufmerksamkeitsschwaches Kind:

  • Es hört nur kurze Zeit zu
  • Es kann sich mehrere Aufträge hintereinander nicht merken
  • Es verhält sich unruhig und impulsiv
  • Es wirkt verträumt und schaltet während eines Gesprächs ab
  • Es fängt viel an und führt nichts zu Ende

 

Allgemeine Lernschwäche

Durch Entwicklungsdefizite können sowohl spezifische Teilleistungsschwächen wie Legasthenie und Dyskalkulie verursacht werden als auch eine allgemeine Lernschwäche, die sich auf alle Schulfächer auswirkt. Schulische Auffälligkeiten oder Lernschwächen können durch Entwicklungsverzögerungen in den folgenden grundlegenden Bereichen erklärt werden:

  • Händigkeit (rechts, links, beidseitig)
  • Grob- und Feinmotorik (Malen, Rennen, Hüpfen, Schneiden ...)
  • taktile Wahrnehmung (Körperwahrnehmung)
  • visuelle und auditive Wahrnehmung und Gedächtnis, Merkfähigkeit
  • Sprechen und Sprache (Sprachverständnis) Körperschema (oben, unten, rechts, links)
  • Aufmerksamkeit, Konzentration und Ausdauer emotionale Entwicklung, Sozialverhalten

 

Als Faustregel gilt:

Ihr Kind sollte in der folgenden Tabelle genannten Bereichen einen deutlichen Lernfortschritt in den ersten beiden Schuljahren erreichen und zunehmend selbstständiger werden. Natürlich ist es für junge Eltern mit einem frisch gebackenen Schulkind nicht leicht, dessen Leistungen richtig einzuschätzen und kritische Entwicklungsrückstände zeitnah zu bemerken. Zu viel Beobachtung kann auch schaden, denn nicht jeder Rechtschreibfehler weist gleich auf eine Legasthenie hin, und die Verwechslung von Vorzeichen beim Rechnen muss noch lange keine Dyskalkulie bedeuten. Die frühzeitige Rücksprache mit dem Klassenlehrer/der Klassenlehrerin des Kindes ist deshalb absolut sinnvoll, wenn Fragen und Bedenken zu den Leistungen des Kindes aufkommen.